Die Freundschaft zwischen uns begann im Herbst 1973 in der Werkstatt von Helmut Assmann. Wie das im Leben oft so ist, entweder es passt von Anfang an oder es wird nie etwas. Bei uns funktionierte auf Anhieb alles, und darüber waren wir bis zu seinem Ende sehr froh.
Wir sind nicht nur 8 Jahre gemeinsam Trabi-Rennen gefahren, wir haben auch privat jede Gelegenheit genutzt, uns zu treffen und ab und zu die eine oder andere Feier gemeinsam veranstaltet. Als Hans-Dieter in die große Tourenwagen-Klasse wechselte, war ich vom ersten Moment an dabei und habe ihn bei allen erforderlichen Anstrengungen unterstützt. In den 51 Jahren die wir gemeinsam erlebt haben, gab es natürlich Höhen und Tiefen. Er war ja für seine Ungeduld bekannt, weil ihm alles viel zu langsam vonstatten ging.
Als die politischen Umstände in Jugoslawien sich mehr Richtung Westen veränderten, untersagte die Führung des ADMV der DDR die Teilnahme des Zastava an den Läufen für den Pokal für Frieden und Freundschaft. Damit war die goldene Zeit des Zastava und des Hans-Dieter Kessler im Tourenwagensport beendet. Für ihn gab es in seinem Leben nur den Sieg, schon der Zweitplatzierte war für ihn der erste Verlierer.
Also ging er eine Stufe höher in die Formel und damit in das Heiligtum des Ulli Melkus. Heinz Siegert gab das „Narva-Auto“ am Jahresende ab und Hans-Dieter Kessler wurde Mitglied im Narva Rennteam. Über den für ihn kleinen Umweg durch die LK II kam er mit einem ganz neu aufgebauten MT 77 zum Sachsenring 1987 und wollte natürlich gewinnen. Dass das in einem Fiasko endete, habe ich hautnah miterlebt und ich bin heute noch froh, dass es so glimpflich abgegangen ist. Wir, das war vor allem Uwe Lorenz und meine Wenigkeit, wir haben wie die Verrückten gearbeitet, um das Unfallauto wieder so herzurichten, dass der Angriff auf die Spitze in der damaligen Formel Mondial (1600cc) hätte gelingen können. Wir haben es nicht geschafft, denn einer aus Dresden, entweder Ulli Melkus oder Bernd Kasper, war immer schneller.
Dann kam die Wende und Hans-Dieter Kessler suchte nach neuen Betätigungsfeldern, wo eventuell ein Sieg hätte herausspringen können. Ob mit der G-Klasse (Wüsten-Rallye), dem Messerschmidt-Kabinenroller oder mit dem Versuch aus dem Melkus-RS 1000 ein richtiges Rennauto zu machen, die Ergebnisse waren nicht nach dem Geschmack eines Hans-Dieter Kessler. Als der Stern des 6-maligen DDR-Meisters und Meisters des Sports langsam zu verblassen schien, trat ein neuer Mensch in sein Leben. Es war sein Enkel Philipp.
Damit richtete er sich wieder auf und begann mit mir neue Pläne zu schmieden. Wir wollten mit Philipp ein Formel-Rennteam gründen und nochmal alles besser machen. Zwei Anläufe haben wir versucht, aber sein Gesundheitszustand verschlechterte sich in erschreckender Geschwindigkeit. Für ihn war es die größte Strafe, dass es plötzlich ernste Einschränkungen im täglichen Leben gab. Als er verstand, dass er dagegen machtlos war, wollte er niemanden zur Last fallen. Am 22. April 2024 schied Hans-Dieter Kessler aus dem Leben.
Ruhe in Frieden mein Freund.
Stromhardt Kraft